Mittwoch 24. April 2024

Interview mit Univ.Prof. Dr. Rotraud A. Perner

Univ.Prof. Dr. Rotraud A. Perner fordert Transparenz und Öffentlichkeit, um Gewalt in Zusammenhang mit Abtreibung entgegenzuwirken. Interessant sind auch Perners Gedanken dazu, warum so wenig über Schwangerschaftsabbrüche gesprochen wird und was beim Darüber-Reden beachtet werden sollte.

 

Warum wird in der Gesellschaft so wenig über Schwangerschaftsabbrüche gesprochen?

 

Rotraud A. Perner: „Unabhängig vom ideologische Langerdenken taucht bei diesem Thema immer auch, wenn auch vielfach sofort abgewehrt,  der Gedanke an die eigene Hilflosigkeit im Mutterleib auf – besonders dann, wenn man vielleicht später durch Zornesworte in seiner Existenz in Frage gestellt wurde bzw. wird. Es ist ein Tabuthema, dass es nicht nur liebevolle und beschützende Mütter gibt, sondern auch hasserfüllte oder manipulierte.

Ich kenne etliche Fälle, wo die Eltern der Frau auf Abtreibung bestanden haben, weil sie mit dem Kindesvater nicht einverstanden waren. Gewalt – insbesondere Erpressung und Drohung – spielt sich auf allen Ebenen ab, und gegen Gewalt hilft nur Öffentlichkeit – vor allem, damit die Betroffenen wissen, dass sie über ihre Gedanken, Zweifel, Ängste sprechen dürfen!"

 

Warum sollten wir über Schwangerschaftsabbrüche sprechen?

 

Rotraud A. Perner: „Man muss unterscheiden zwischen dem Sprechen der Betroffenen, die Klärung und Sicherheit erlangen wollen, und dem Sprechen der Besserwisser/innen, die bar jeden Mitfühlens nach Strafe rufen oder die Dramatik des Geschehens verleugnen bzw. verharmlosen wollen.

Ich erinnere mich an eine Frau, die ihre Abtreibung mit dem Entfernen einer Warze verglich – und das zeigt deutlich, wie sehr sie sich vor Gefühlen schützen wollte und zu diesen Gefühlen gehört auch Ärger oder Wut über sich selbst, über den Zeuger, über Lebensschwierigkeiten allgemein, vor allem aber, dass die eigene Lebensplanung durchkreuzt wird."

 

Wie sollten wir über Schwangerschaftsabbrüche sprechen?

 

Rotraud A. Perner: „Das ist eine Zwölfer-Frage! Da gibt es kein Rezept. Wir sollten grundsätzlich immer, bevor wir sprechen, drüber nachdenken, was und weshalb wir etwas sagen wollen, aus welchen Motiven heraus und mit welchem Ziel.

Das wort lösungsorientiert ist zwar derzeit sehr modern, bedeutet aber auch, die Zeit abkürzen zu wollen, die jemand – oder wir alle – brauchen, um niemand bei seinen, d. h. ihren Entscheidungen zu drängen.

Ich denke, dass auch ich hier keine schnelle Antwort geben sollte und daher auch nicht mag – denn: Beratungsgespräche, zu denen man aufgesucht wurde, sind etwas anderes als ideologische Streitgespräche, betonung auf „Streit“.

Es ist eine Tatsache, dass Fragen der Menschlichkeit, des menschlichen Fortpflanzungspotentials nicht thematisiert werden. Es wäre wichtig darüber zu reden, unter anderem über kommerzielle Angebote zur Beseitigung unerwünschter Erscheinungsformen (da inkludiere ich auch die ausufernden kosmetischen Körperkorrekturen zur Beseitigung individueller Eigenheiten) und über Grenzen für die gesellschaftlichen Ansprüche nach ausfallsfreien Berufsrobotermenschen. Auch die Abtreibungsfrage gehört in diesen Themenkreis

Mir ist wichtig, aufzuzeigen, wie unser Denken manipuliert wird – und von wem aus welcher Interessenslage heraus."

 

Warum kann eine Statistik bzw. Motivenerhebung dabei helfen, konstruktiv bzw. lösungsorientiert über Schwangerschaftsabbrüche zu sprechen?

 

Rotraud A. Perner: „Ich persönlich bin keine große Freundin von Statistiken – sie sind a) immer nur eine Sammlung und Interpretation von Augenblicksaussagen und b) schon in den Frageformulierungen leicht zu Manipulationen geeignet. Aber sie sind allenthalben Daten, mit denen man weiter arbeiten kann, egal in welche Richtung.

Ich halte mehr von Tiefeninterviews, aber das bedeutet Zeitaufwand, Zugangsschwierigkeiten und vor allem hohe Selbstkontrolle bei den Interviewenden. Das heißt aber nicht, dass man das Wagnis nicht eingehen sollte – am besten im Doppelpack unterschiedlicher Positionierungen. Nur: wer zahlt so etwas? Vermutlich nur diejenigen, die besonderes Interesse an Veränderungen haben. daher sollten vorab deren Motive erforscht werden, damit man nicht wiederum einer Manipulation zum Opfer fällt.

Bei einem so hoch konflikt- und gewaltträchtigen Thema ist Transparenz – auch Transparenz der Machtansprüche – notwendig, um die vielen unterschiedliche Perspektiven gleichberechtigt neben einander zu stellen – und dann so stehen zu lassen."

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